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Wellenrauschen

Und jetzt ist Flut.

 

Es rauscht und windet vor sich hin. Für Oktober sind überraschend viele Menschen am Strand von Norderney unterwegs, und das, obwohl keine Sonne scheint. Es ist mittags und der Himmel ist bedeckt. Ein paar Kinder lassen ihre Drachen im Wind steigen – und der ein oder andere Drachen wird vom Vater oder der Mutter festgehalten, weil das Kind inzwischen Spannenderes im Sand zu untersuchen hat. 

Ich hocke auf einer weißen Bank, quer und im Schneidersitz, die Tastatur auf dem Schoß und das Tablet vor mir. Mein Blick schweift manchmal kurz über den Strand, zu den Menschen, um dann wieder den tanzenden Buchstaben auf dem Monitor zu folgen, die das wiedergeben, was gerade aus meinem Kopf herausfließt. 

Ein Schluck Kaffee aus dem Thermobecher, das ist auch gerade mal sehr lecker.  

Manche Paare schauen mich neugierig an, tuscheln leise, ich sehe mehr, als ich höre: Schau mal, da sitzt eine und schreibt. 

Ein Hund jagt freudig mit erhobener Rute einem Stöckchen hinterher, den sein Frauchen gerade Richtung Meer geworfen hat. Ihn interessiert es nicht die Bohne, ob er nasse, kalte Pfoten bekommt – der Spaß und das gemeinsame Erlebnis ist eindeutig wichtiger. 

 

Gedankenpause. 

 

Blick auf das stetig rauschende Meer. 

 

Eine Dohle tippelt einen Kreis um mich herum, sie schaut wohl, ob es etwas zu holen gibt bei mir. Pech gehabt, dieses Mal. 

Ui, da ist ein Mutiger – Schuhe und Socken aus, kurze Hose an. Mal sehen, wie weit er hinein geht? Angeblich ist das Wasser 14°C warm, sagte die kleine Hotelzeitung heute morgen beim Frühstück. Hmh, allzu weit geht´s nicht hinein, die Knie bleiben zumindest trocken. 

 

Das stetige Rauschen und die gleichförmigen Bewegungen der Wellen beruhigen meinen Geist. 

Gestern habe ich bemerkt, wie viel „Autobahn-Verkehr“ in meinem Kopf los ist. Es fiel mir schwer, die Gedankenmaschine in ruhigere Bahnen zu lenken, denn das stete Hämmern von neuen Impulsen war doch recht heftig. Und wie viel unwichtiges Zeugs dazwischen war, welches gleich zu weiteren unwichtigen Impulsen führen wollte, um mich beschäftigt zu halten. „Ah ja, du wolltest ja noch nachschauen, wo man Räder ausleihen kann.“ „Wann hat Kant nochmal gelebt?“ „Was sagte die Wettervorhersage doch gleich – schau doch mal kurz im Handy nach.“ … und so weiter und so fort. Dieses olle Handy, wie sehr es doch inzwischen meine Zeit zieht und mein Gehirn nicht mehr selbstständig arbeiten lässt – weil ja alles online verfügbar ist. Wetter? Schau doch durchs Fenster oder geh zum Strand und beobachte die Wolken.

Fahrradverleih? Geh ins Dorf und frag im Laden. 

Und was ist mit Kant? Ist doch eigentlich egal jetzt :-). Die Wellen rauschen. Punkt. 

 

Gerade schaut eine kleine Wespe vorbei und prüft, ob ihr mein Kaffee schmecken könnte. Sie wird vermutlich auch enttäuscht sein – aber das ist nicht schlimm. Direkt links von mir ist die „Milchbar“, da fallen bestimmt die einen oder anderen Kuchenkrümel und Saftreste ab. 

 

Die Wellen rauschen.

Und löschen nach und nach, mit jeder neuen Welle, den Gedankensturm in meinem Kopf. 

 

So einfach ist das manchmal.

 

 

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