
Heute hörte ich im Nachrichten-Podcast zum ersten Mal von Carlo Acutis.
Wer war Carlo Acutis?
Er war ein junger, gläubiger Italiener, der im Jahr 2006 mit 15 Jahren an Leukämie gestorben ist. Er wurde 2020 seliggesprochen und gilt als der erste Millennial, dem dies geschah. Zu seinen Lebzeiten berichtete er in den sozialen Medien und auf seiner Website über Wunder der katholischen Kirche und katalogisierte über 130 Wunder. Das brachte ihm unter anderem den Titel „Influencer Gottes“ und „Cyber-Apostel“ ein. Am 7. September 2025 fand die Heiligsprechung statt (Quelle: Wikipedia; WDR, 7.9.2025).
So weit, so gut.
Die katholische Kirche nahm dies nun zum Anlass für „Werbezwecke“. Ja, ich denke, das darf man ruhig so sagen, denn die Institution hat ja seit einer Weile durchaus Mühe, ihre Maschine am Laufen zu halten.
Durch seine Heiligsprechung ist ein noch größerer Kult um den jungen Mann entstanden. Sein Leichnam ist seit mittlerweile fast 5 Jahren in einem gläsernen Sarg in Assisi aufgebahrt. Da er kurz vor seiner Seligsprechung exhumiert werden musste und der Verwesungsprozess bereits begonnen hatte, wurde ihm eine Silikonmaske über Gesicht und Hände angebracht. Gekleidet ist er mit Jeans, Sneakern und einer Trainingsjacke, und so wirkt er insgesamt fast schon erschreckend lebendig. Täglich pilgern Tausende nach Assisi, um einen Blick auf den Influencer zu werfen.
Doch das ist noch nicht alles.
Man hat ihm sein Herz entnommen und dieses Herz reist nun in einem Reliquiengefäß um die Welt. Im Jahr 2024 wurde es auch in Köln ausgestellt.
Fragen an die Eltern
Die gesamte Geschichte hat mich doch sehr erstaunt. So etwas, jetzt, im 21. Jahrhundert? Doch zunächst waren meine Gedanken bei seinen nächsten Angehörigen.
Ich habe mir überlegt, wie es wohl seinen Eltern ergehen mag, wenn ihr verstorbener Sohn, mit dem sie gemeinsam einen Leidensweg durchlitten haben, nun schon seit 5 Jahren öffentlich in einem gläsernen Sarg liegt? Tausende unbekannte Menschen kommen vorbei, schauen ihn an, schöpfen vielleicht Hoffnung oder sind eventuell auch einfach nur schaulustig.
Was mögen die Eltern fühlen, wenn sie wissen, dass ein Teil seines Körpers, sein Herz, von ihm getrennt ist und durch die Welt geschickt wird?
Können die Eltern auf diese Art jemals ihren Frieden finden?
Oder stehen sie vielleicht sogar vollständig hinter dieser Vorgehensweise?
Meine persönliche Sicht: Körper – Seele – Geist
Das nächste Fragezeichen, das sich auftat, hat etwas mit meiner persönlichen Ansicht über die Einheit von Körper, Geist und Seele zu tun. Was mag es für Konsequenzen für seine Seele haben, wenn mit seinen sterblichen Überresten in dieser Art umgegangen wird? Zur-Schau-Stellung über Jahre, das Herz vom Körper getrennt und um die Welt reisend. Natürlich kann man sagen, es ist ja „nur“ noch seine sterbliche Hülle, seine Seele hat den Körper längst verlassen. Aber ich glaube nicht, dass es ganz so einfach ist. Auch wenn die Exhumierung 14 Jahre nach seinem Tod stattfand, halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass trotzdem auf einer anderen Ebene noch eine Verbindung zwischen seiner Seele, die diesen Körper einmal bewohnt hat – oder, je nach Sichtweise, umgekehrt – und dem physischen Körper selbst bestehen könnte. Und hier wird munter auseinandergebaut, durch die Welt geschickt und in der Öffentlichkeit ausgestellt.
Mit Respekt hat das aus meiner Sicht nicht allzu viel zu tun …
Wenn jemand mit meinem Körper nach meinem Tod so umgehen würde, würde ich persönlich es wohl eher als respektlos empfinden – egal, wie viele Jahre zwischen Tod und Exhumierung vergangen sein mögen.
Fazit
Für mich zeigt die Geschichte von Carlo Acutis weniger den Glauben an ein modernes Christentum, sondern vielmehr die Rückkehr zu fragwürdigen Traditionen. Es geht hier nicht mehr um den Menschen selbst, sondern um das, was aus und mit ihm gemacht werden kann.
Wenn die Kirche auf diese Art modern und zeitgemäß wirken möchte, weil sie einen besonders jungen Menschen heiligspricht, um die jungen Menschen von heute wieder an die Kirche heranzuführen, lässt es mich doch leise im Hintergrund die Flöte vom Rattenfänger von Hameln säuseln hören.
Und die Schlange Kaa aus dem Dschungelbuch singt leise: „Hör auf mich, vertraue mir …“
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