Und plötzlich war ich ein Songschreiber – oder war es doch nur die KI?
Ich saß da, verblüfft und fasziniert, während ich mir Songs anhörte, die „ich“ gerade geschrieben hatte. Ein kleines Experiment, das mich zum Nachdenken gebracht hat.
Aber fangen wir von vorne an.
In einem Chat hatte jemand einen Song eingestellt und diesen inhaltlich empfohlen. Ich dachte zunächst, dieser Song sei weitergeleitet oder irgendwo gefunden worden, denn soweit ich wusste, machte sie selbst keine Musik, hatte aber vorher schon gelegentlich Links geteilt.
Ich hörte ihn mir also an. Die Melodien waren soweit okay, nicht ganz mein Geschmack, aber darüber lässt sich ja bekanntlich streiten. Als ich dem Text zuhörte, stellte ich jedoch schnell ein paar Unstimmigkeiten fest. Einige Passagen wiederholten sich, reimten sich nur so halb und es gab unvollständige Sätze.
„Was ist denn das?“, dachte ich überrascht und sah mir den Link etwas genauer an.
Music-AI.
„Soso, eine KI also, verstehe“, rauschte es durch meinen Kopf.
Die weiteren Vorurteile erschienen in Windeseile in meiner Gedankenwelt:
„Deswegen ist das so kitschig …“, oder „Kein Wunder, dass das vom Timing her nicht passt …“ flogen innerhalb von wenigen Sekunden von links nach rechts und wollten sich in meinen Gedanken festsetzen.
STOP.
Noch mal von vorne.
„95 % unserer Gedanken sind Wiederholungen“, überlegte ich. „Schau dir alles genau an, ganz neutral. Und dann denke noch mal, mit leerem Kopf. Wie findest du es dann?“
Und so sah ich mir das kleine Programm erneut an, dieses Mal mit offener Neugier. Wie funktioniert es? Was muss man machen, um einen Song zu generieren? „Versuch macht ´kluch´“, erschien vor meinem inneren Auge und so begann ich, meinen eigenen ersten Song zu erstellen.
Was könnte ich also schreiben?
Ich erinnerte mich an ein altes Lied meiner damaligen Band. Ah, diesen Stil probiere ich erst einmal aus. So gab ich ein paar Prompts ein, die den Stil beschrieben: Gothic Metal, atmosphärisch, harmonisch. Es waren nur wenige Worte. Ein paar Textfragmente kamen zurück in meinen Kopf. Ich bekam den Text nicht mehr ganz zusammen, dafür war es einfach zu lange her, also füllte ich den Rest mit anderen Begriffen aus. Ich gab nur einen Vers und einen Chorus ein – insgesamt 8 Zeilen Text. Das sollte für den Anfang reichen.
Das Ganze hat keine fünf Minuten gedauert.
Ich klickte auf „generieren“.
Was mochte da wohl herauskommen?
Nach einem kleinen Moment warf Music-AI zwei Varianten meines Songs heraus. Ich klickte auf den ersten Song.
"WOW!", dachte ich. Der Text wiederholt sich zwar, da ich ja nicht viel eingegeben hatte, aber der Song! Der war richtig gut. Melodiös, das Thema getroffen, gute Struktur, absolut nicht langweilig. Es hörte sich ziemlich professionell an. Natürlich gab es noch Luft nach oben, aber hey, für diesen minimalen Aufwand war das ein schier unglaubliches Ergebnis!
Ich weiß, wie lange es dauern kann, bis ein Song „per Hand“ entsteht, in einer Band: Hier muss noch gefeilt werden, da stimmt die Harmonie nicht, dies gefällt dem einen nicht, der andere mag das lieber. Sollte hier noch eine Bridge herein oder nicht? Die Melodie ist etwas lahm, da fehlt noch Pfeffer. Der Song ist zu kurz, der Text passt da nicht in die Musik hinein. Und so weiter und so fort. Manchmal entwickelten sich Songs schnell, manchmal über Monate, manchmal wurden sie auch komplett wieder verworfen. Es war immer ein Entwicklungsprozess.
Und jetzt wird einfach so, innerhalb knapp einer Minute, ein kompletter Song herausgeworfen. Er ist nicht perfekt, aber kann perfekt als Grundlage für weitere Be- und Verarbeitung verwendet werden, als Ideengeber, als Strukturgeber, was auch immer.
Auch der zweite Song gefiel mir. Er hatte einen etwas anderer Stil und war etwas schneller, passte aber thematisch ebenfalls zum Text und zu den eingegebenen Prompts.
Schnell fand ich heraus, dass die KI aus meinem eingegebenen Songtext weitere Schlüsse bezüglich des Stils gezogen hatte und diese beim Erstellen des Songs mit berücksichtigte.
Ich war krass beeindruckt und hörte mir beide Songs immer wieder an, kopfschüttelnd, staunend.
Ach, und erwähnte ich schon die Cover, die in Miniaturansicht mitgeliefert wurden? Voll auf den Punkt getroffen!
Ich wusste wirklich nicht, ob ich das gut finden sollte oder nicht.
Ich hielt es für gut, was da herausgekommen ist, da es so gut getroffen hat, was ich generieren wollte. Ja, zugegeben, die Lieder gefielen mir. Ich fand es gut, welche Möglichkeiten sich hier eröffnen, um damit weiterzuarbeiten.
Ich fand es gut, wie schnell das ging.
Und ich fand es gleichzeitig nicht gut, wie schnell das ging.
Ich fand es nicht gut, dass der eigene kreative Prozess irgendwie be- oder abgeschnitten wird. Wer muss sich denn nun noch wirklich aus der eigenen Kreativität heraus bemühen, etwas Musikalisches zu erschaffen? Jeder kann nun innerhalb weniger Minuten Songs in halbwegs guter Qualität schreiben, wo bleibt da die Wertschätzung für die Musiker, die das aus sich selbst heraus kreieren, die uns durch ihre Musik an ihrem Inneren teilhaben lassen?
Wird Musik jetzt vollständig zur Massenware und somit wertloser?
Oder ist es doch eine Chance und Erweiterung?
Diese Erfahrung hat mich wirklich zwiegespalten und klingt immer noch in mir nach.
Ich werde vermutlich noch etwas weiter mit dieser KI herumspielen, denn es hat mir auch Spaß gemacht, selbst Lieder zu „schreiben“, die mir gefallen und das auszudrücken, was ich ausdrücken möchte. Das ging im Band-Prozess lange nicht immer so, weil mehrere Personen mitwirkten und sich ebenfalls ausdrücken wollten. Kooperation war das Schlüsselwort – die wiederum in der AI dann völlig fehlt.
Tja, pro und kontra.
Da bleibt wohl erst einmal nur: Anschauen, beobachten, ausprobieren. Abwarten, was passiert.
Und für sich selbst in einer stillen Minute die folgende Frage beantworten:
Was macht Musik eigentlich wirklich wertvoll – der Prozess, das Ergebnis oder die Gefühle, die sie auslöst?
Wie findest du das? Hast du so eine KI vielleicht auch schon ausprobiert?
Wie sind deine Erfahrungen?
Schreib mir gern in die Kommentare, ich freue mich, deine Gedanken zu lesen.
(Bildquellen: Pixabay, Vorschaubild mit Canva bearbeitet)
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